Montag, 10. Oktober 2011

Ein Stück Theater zur gemeinschaftlichen Wertschöpfung



Szenen am gedeckten Tisch

Bühnenaufbau: Ein langer Tisch (Tapeziertisch), Tischdecke?; Pralinen auf einem silbernen Teller; Kuchen, Pappteller, Gabeln; Wasserflaschen, Plastikbecher oder Gläser; Brot, Messer zum Anschneiden, eins, zwei Kleidungsstücke

Musikinstrument: Trommel

Rollen: (Zum Beispiel) 12 MitspielerInnen; Texte anpassen, ob männlich, weibliche Schauspieler; Rollenzuweisung oder ohne; (Dialoge ausbaufähig)

Das Spiel beginnt:


Verteiler, Selbstständiger (A): Das Brot wurde mit viel Mühe erstellt. Das Rezept habe ich mir erarbeitet, morgens um 4 Uhr stehe ich auf, 12 Stunden arbeite ich am Tag. Jetzt habe ich ein Recht darauf, ich möchte gutes Geld verdienen. Das Kuchenstück kostet 2 Euro.

Braucher, Kunde, Arbeitsloser (B): Guter Mensch, danke das sie für uns Andere die Nahrung herstellen und gerne möchte ich ihnen 2 € zahlen, besitze aber das Geld nicht, weil ich kein Einkommen mehr habe, ich habe meine Arbeit verloren, geben sie mir deshalb das Brot umsonst. Ich habe Hunger und muss essen.

Verteiler, Selbstständiger (A): Das tut mir aber leid das Sie arm sind. Aber da kann ich keine Ausnahme machen. Das würde mich ruinieren. Alle, die etwas von mir haben wollen, müssen dies bezahlen.

BraucherIn (D): Hallo ich sehe, sie bieten Wasser an. Ich habe Durst, geben sie mir doch ein Glas Wasser.

Verteiler, Verkäuferin (C): Ja gerne, guter Mensch. Ich stehe hier, um Durstigen zu trinken zu geben. Haben sie denn auch etwas für mich, was sie mir geben könnten?

BraucherIn (D): Ich kann ihnen gerne ein Lied vortragen, über die Güte des Menschen. Wäre ihnen das Recht?

Verteiler, Händler (E): Möchten sie diesen Kuchen, ich kann ihnen diesen geben? Was können sie mir dafür zahlen?

BraucherIn (F): Geld habe ich keines, aber Bezugsscheine. Kann ich ihnen diese geben, für ein Stück Kuchen?

Verteiler, Händler (E): Gerne nehme ich diese. Sie sind durch die Gemeinschaft gedeckt und deshalb von Wert. Hier ist der Kuchen.

Verteiler, Händler (G): Hier habe ich exquisite Pralinen. Hat jemand Lust diese zu essen? 4 Euro das Stück, so gut sind sie.

BraucherIn (H): Ja ich nehme eine. Ich habe Geld wie Heu und brauche keine Pralinen. Ich nehme aber eine, weil ich es mir leisten kann.


VerteilerIn (I): Hier ist Brot und Wasser, wer will es haben?

Braucher, Reisende/r, Wandersfrau, -mann (J): Ich nehme gerne Wasser und Brot. Komme ich doch von weit her und brauche dieses jetzt, um zu leben. Auch ein Dach über dem Kopf des Nachts und Energie zum Kochen und mich zu wärmen muss ich haben, um nicht zu Schaden zu kommen.

VerteilerIn (I): Es ist alles da. Aber gegen was wollen sie es denn tauschen? Haben sie hier Anrechte erworben, besitzen sie Geld oder andere Werte oder haben sie besondere und außerordentliche Fähigkeiten?

Braucher, Reisende/r, Wandersfrau, -mann (J): Nichts dergleichen gute Frau. Von der langen Reise und den Schwierigkeiten in dieses Land zu kommen, bin ich müde und geschwächt und kann deshalb erst mal gar nichts anbieten. Ich bin nur ein Mensch und will meine Existenz erhalten. Gelingt mir dies in ausreichendem Maße, werde ich weiter sehen, was ich sonst noch so machen könnte und wie ich mich im Leben und in der Gemeinschaft einbringen kann.


VerteilerIn (I): Nur Mensch sein allein, reicht nicht, damit ich sie in ihrer Existenz unterstütze. Sie müssen weitere Bedingungen erfüllen, damit sie Hilfe bekommen.

Braucher, Reisende/r, Wandersfrau, -mann (J): Aber ist dies nicht unmenschlich, wie sie sich verhalten? Warum sollte ich weitere Bedingungen erfüllen, damit sie mich menschenwürdig behandeln. Geben sie mir alles, was ich für meine Existenz brauche einfach so!

VerteilerIn (I): Wenn ich ihnen einfach so helfe, kommen immer mehr Menschen zu mir, die „einfach so“ Hilfe haben wollen. Dann will niemand mehr für die Güter bezahlen oder für den Erwerb derselben Bedingungen erfüllen.

Braucher, Reisende/r, Wandersfrau, -mann (J): Jeder der zahlen kann, wird dies tun. Es geht doch nur um die Menschen, die dies nicht können. Die dies momentan nicht können. Sie brauchen immer die existenzsichernden Güter, egal welche Marktpreise es gibt oder welche weiteren Hürden die VerteilerInnen gegenüber den BraucherInnen aufbauen.
Die Wertschöpfung der reichen Industrienationen ermöglicht es, allen Menschen eine bedingungslose Grundversorgung zu gewähren. Man muss dies nur wollen und für richtig erachten.

Verteiler, Politiker (K): Hier ist Wasser und Brot, 50% der gesellschaftlichen Wertschöpfung kann ich verteilen. Das Verteilen dieser gigantischen Menge an Gütern und Dienstleistungen ist eine meiner Hauptaufgaben und eines meiner Hauptinteressen, die ich bei meiner Arbeit habe. Politiker sein, heißt Wertschöpfungsverteiler sein. Ich kann diese an mich selbst verteilen, an die Lobby, der ich zugeneigt bin. Ich kann eine Günstlingswirtschaft pflegen oder nach dem Gießkannen-Prinzip verfahren. Alles ist möglich. Mit solch' einer Macht hat mich der Bürger per Wahlentscheidung ausgestattet. Das ist die Parlamentarische Demokratie. Sie nimmt dem Bürger die Entscheidung und gibt sie mir.

Arbeitslose, prekär Beschäftigte (L): Ich will Wasser und Brot. Ich brauche diese Dinge, um leben zu können.

Verteiler, Politiker (K): Kein Problem gute Frau. Die Dinge sind da und ich habe die Macht sie zu verteilen. Aber hast du auch alle Bedingungen erfüllt, die ich für dich aufgestellt habe? Hast du dich regelmäßig bei der für dich zuständigen Behörde gemeldet, hast du vollständige Angaben darüber gemacht mit welchen Menschen du zusammenwohnst, wie viel Einkommen diese haben. Warst du immer bereit auch die niedrigste, unbequemste, entwürdigenste Arbeit anzunehmen? Meldest du immer deiner Behörde, wenn du deinen Wohnort wechselst, wann und wie lange du in Urlaub fährst, ob du Gespartes hast oder Immobilien und welche Einzahlungen du auf deinem Konto hast und von wem diese sind?
All dies ist Voraussetzung, damit ich dir existenzielle Sicherheit gewähre.

Arbeitslose, Prekär Beschäftigte (L):
Ich soll mich von ihnen und ihren Kontrolleuren erniedrigen und unwürdig behandeln lassen, damit die Gemeinschaft mir hilft, existenziell gesichert zu sein? Unverschämt, infam und dreist, wie sie sich verhalten. Sie treten die Menschenrechte mit Füssen. Diese Gängelung und Bevormundung des Volkes hat ihnen der Souverän, der Bürger erlaubt? Ich kann es nicht glauben.

Verteiler, Politiker (K): Das Volk getraut sich nicht, dem Staat in die Arbeit zu pfuschen. Es ist unmündig und ängstlich. Und mir kann es nur recht sein. Festigt es doch meine Macht.

3 BraucherInnen gleichzeitig (N): Wir wollen Brot, Wasser und Kleidung. Wir haben kein Geld, sind in Not und brauchen es jetzt.

Zwei Trommelschläge, ein wenig zeitversetzt, nachdrücklich ...

Verteiler, Politiker (K): Wer nichts zahlen kann, kriegt nichts!


3 BraucherInnen (N)Reagieren jetzt ungehalten, empören sich, maulen; Erste/r versucht zu stehlen, Zweite/r geht den Politiker aggressiv an, Dritte/r versucht zu betrügen (Falschgeld)

6 BraucherInnen (P) wenden sich den Zuschauern zu. Gleichzeitig setzt ein Trommelwirbel ein, der in Schritttempo übergeht. Sie sprechen: Die Wertschöpfung ist die unserer Gemeinschaft. Alle Menschen brauchen zuerst das Wichtigste, die Existenzsicherung. Danach kommt die individuelle Verteilung, gemäß individueller Leistungen und Kräfte. Die Gesellschaft braucht gemeinschaftliches, verantwortliches Verhalten, die die Würde des einzelnen Menschen achtet.
Existenzielle Not und unwürdige Abhängigkeiten werden wir nicht mehr zu lassen. Wir werden anstelle der Politiker selbst, direkt, entscheiden. Die bedingungslose Existenzsicherung für alle Menschen muss Teil der Menschenrechte werden. Die Menschenrechte als Individualrechte haben Vorrang vor den Gruppenrechten.



Um was geht es - Dialoginhalte

A – B Stichwort „Leistung muss sich lohnen“, in Richtung: Industrielle versus individuelle Produktion – Individuelle, handwerkliche Produktion, teuer, Handarbeit, hoher Stundenlohn, langwierige, genaue Arbeit; aber → Preis pro hergestellte Einheit sinkt bei industrieller, automatisierter und rationalisierter Produktion. Maschinen übernehmen weitestgehend die Herstellung der Waren.

C – D Stichwort „Tauschwirtschaft, Tauschhandel“,
Angebote der Tauschringe mit einbeziehen, Geld ist nicht zwingend Tauschmittel.

E – F Stichwort: „Bezugsrechte organisieren“, z.B. über Belege, Scheine. Es geht um den Bezug der existenzsichernden Güter, nicht um den Besitz von Geld. Sind die Güter da, ist das wichtigste erreicht.

G – H Stichwort: „Ungleicher Reichtum“, exorbitante Einkommen bei einer kleinen Gruppe, Vergrößerung des Niedriglohnbereichs in den letzten Jahren, Verarmung größerer Bevölkerungsgruppen.

I – J Stichwort: „Habenichts“ und „Wo komm' ich her, wo will ich hin“, Menschen die unterwegs sind.
Man kommt irgendwo her und geht irgendwo hin, hat nichts und bringt nichts mit, außer sich selbst. „Unterwegs“ muss man essen, trinken, schlafen, braucht Wärme und Energie für tägliche Verrichtungen. Sind die Dinge dafür da, dies erledigen zu können?
Perspektive: Die Gemeinschaft stellt die Dinge und Dienstleistungen zur Verfügung, die die Menschen brauchen. Die Menschen nutzen sie bei ihren täglichen Unternehmungen.

K – L Stichwort: „Der Wähler und der Parteienstaat“, Rolle des Bürgers in der Gesellschaft und der Politiker; wer entscheidet; wer sollte entscheiden: (Souverän) Bürger <->Politiker,
Parlamentarische Demokratie <-> Direkte Demokratie.
Politiker, entscheidet gegen die Bürger, vertritt nicht die Interessen der Bürger, missachtet die Menschenrechte bei seinen Entscheidungen.
Bürger, „gibt seine Stimme ab“, verliert seine Stimme, hat nichts mehr zu sagen, im Parteienstaat.
Der Politiker kann mit seinen Entscheidungen den Menschen schaden. Direkte Entscheidungen durch die Bevölkerung sind möglich durch die Online-Internetmöglichkeiten, Internetvoten, -abstimmungen, projekt- und themenbezogen.

Die aktuelle Lage und Situation in den Gesellschaften lässt zukünftig verschiedene Szenarien denkbar erscheinen: Gewalt gegen die staatliche (Un) Ordnung, „Jeder ist sich selbst der Nächste“, Anarchie.

P Die alte, gescheiterte Gesellschaftsordnung wird abgelöst, durch ein neues Konzept stärkerer direkter Entscheidungsbeteiligung durch den Souverän, die peu à peu ausgebaut wird. Ein weiteres Menschenrecht wird den bestehenden Rechten hinzugefügt: Die bedingungslose, materielle Existenzsicherung. Dieses wird direkt durch die Bevölkerung installiert und hat Vorrang vor allen anderen Sicherungs- und Freiheitsentscheidungen der Gemeinschaft. Die Gewährleistung der Menschenrechte ist Hauptanliegen des Staates.
Individualrechte (im Sinne der Menschenrechte) haben Vorrang vor Gruppenrechten.


Idee und Text:Thomas Oberhäuser, 13.08.2011



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