Überlegungen
zur Grundeinkommens-Arbeit – Ein Brief an die Gruppe
Mit
Motivation, wo hin?
Ich
möchte hier aus einer Email zitieren:
„...
unsere Gruppe trifft sich wieder am
04.04.10....... Wenn Sie mögen kommen Sie dazu und schauen sich die
Gruppe an. Ob sich in nächster Zeit Aktivitäten ergeben, kann ich
nicht sagen. In der Vergangenheit haben wir einige Veranstaltungen
durchgeführt, sind jetzt aber auf der Suche wie wir weiter machen.
Wir sind daran interessiert die Idee
des bedingungslosen Grundeinkommens zu verbreiten,
haben aber nicht unbedingt den Kontakt zu politischen Parteien
gesucht, da wir meinen, dass die Idee nicht von oben verordnet werden
kann.“
Kann
es sein, dass diese Absicht, als Motiv für Grundeinkommens-Arbeit
viel zu schwach ist?
Wenn
man diese Absicht, „die Idee des bedingungslosen
Grundeinkommens zu verbreiten“ mal
genauer untersucht, können tatsächlich Zweifel entstehen, ob sie
genügend Motivation für die tagtägliche Grundeinkommensarbeit
hergibt.
Die Idee
verbreiten bedeutet, über die Idee informieren. Aber wen wollen wir
denn informieren? Bei ein, zwei Veranstaltungen in der Vergangenheit,
hatten wir im Vorfeld Flyer verteilt. Da konnte man ja sehr gut
sehen, welche Menschen einem begegneten. Aber auch die
Veranstaltungen selbst hinterließen einen Eindruck, welche Menschen
anwesend waren. Sowohl bei den Infoständen als auch bei den
Vortrags-Veranstaltungen sind, ich schätze mal 80% Menschen
anzutreffen, die bereits von der Idee wissen. Das sind Menschen, die
man nicht mehr über die Idee des bGE informieren muss. Man bekommt
von ihnen entweder die Antwort, ja die Idee kenne ich, ich bin dafür,
oder sie sagen, dass sie die Idee kennen, aber dagegen sind.
Menschen,
die nach 6 Jahren Götz-Werner Talk-Shows, Zeitungsartikeln,
Radio-Features, Interviews und so weiter, nach der Arbeit vieler
weiterer Grundeinkommens-Aktivisten, wie Sascha Liebermann, Daniel
Häni, Enno Schmidt, Susanne Wiest und viele andere, immer noch
nicht, also überhaupt noch nicht von der Idee des Bedingungslosen
Grundeinkommen gehört haben sind eher selten. In dieser Gruppe sind
aber auch die Leute, die sowieso nicht politisch interessiert sind
und eine abwehrende Handbewegung machen, wenn man ihnen einen Flyer
über das Thema in die Hand drücken möchte.
Wenn man
also unter diesem Aspekt unsere Anliegen und den uns selbst gegebenen
Auftrag sich anschaut, können schon Zweifel aufkommen, ob das sehr
motivierend auf die TeilnehmerInnen wirkt, überwiegend bereits
Informierte zu informieren, mit Gegnern zu diskutieren und
Desinteressierte anzusprechen. Es ist schlichtweg nicht nötig und
überflüssig. Und die wenigen Gutwilligen und trotzdem völlig
Ahnungslosen in Deutschland ausfindig zu machen, soll das wirklich
unser Schicksal sein?
Ich will
aber nicht ausschließen und so sehe ich es ja bei mir selbst, dass
es ein Prozess ist, für sich herauszufinden, was man eigentlich mit
dem Thema will, was für einen selbst Grundeinkommensarbeit ist und
inwieweit diese sinnvoll in einer Gruppe sein könnte. Hier möchte
ich kurz auch einige Einzelheiten ansprechen:
Grundeinkommensarbeit
ist nicht Grundeinkommensarbeit. Spätestens, wenn man sich in die
Einzelheiten der Thematik einarbeitet, sieht man Unterschiede. Es ist
nicht egal, ob man für oder gegen die Konsumsteuer ist, oder sich
eines Urteils enthält, ob man gegen oder für den bGE-Protagonisten
Götz Werner ist, ob man etwas gegen Unternehmer hat oder nicht, ob
man für das bGE ist und gleichzeitig für eine Partei aktiv ist,
oder nicht. Es ist ein Irrtum zu glauben, mit jeder Person sei eine
Zusammenarbeit möglich, nur weil diese beim Stichwort
„Grundeinkommen“ hier gerufen und die Hand gehoben hatte. Deshalb
ist es immer wieder wichtig, zu schauen, ob man in der bGE-Gruppe
noch „in einem Boot sitzt“ und in die gleiche Richtung rudert.
Aber wenn
es vom Sachverhalt her gar nicht unsere Arbeit sein kann, über das
bGE zu informieren, was ist dann unsere Arbeit (Arbeitsaufgabe)?
Auch
ich habe mich in den letzten vier Jahren, in denen ich mich mit dem
Bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigte, in meiner Haltung zu
diesem Thema verändert. Seien wir doch mal ehrlich, die Idee zu
verstehen, ist doch wirklich einfach. Aber was kommt dann, besonders,
wenn man sagt, ja, die Idee habe ich verstanden und finde sie gut?
Kommt da wirklich spontan der Wunsch, die Anderen über das bGE zu
informieren oder denkt man nicht an was anderes? Ja, das
Grundeinkommen müsste her! Oder? Eigentlich müsste einem einfallen,
dass man sich für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommen
einsetzen möchte.
Ich hatte
mich das erste Mal damit beschäftigt, ob das nicht vielleicht meine
Motivation ist, Grundeinkommensarbeit zu machen, nachdem ich einmal
ein Interview mit Götz Werner gelesen hatte und er dort sagte, er
setze sich für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommen
ein und ich mir überlegte, ob ich das nicht eigentlich auch will und
diese Haltung eine bessere Motivation hergibt als der einfache
Informationsvermittlungs-Anspruch. Hinzu kam, dass bei der
Argumentation Pro-Grundeinkommen der Menschenrechtsaspekt ein starker
Stützpfeiler des bGE-Konzeptes ist (Verletzung der Menschenrechte
durch die Hartz4-Gesetze; Existenzsicherung als Grundrecht) und man
eigentlich gar nicht anders kann, als für die Einführung von
Menschenrechten sich einzusetzen.
Hat
man dann einmal die Spur gefunden und das Ziel der eigenen
Grundeinkommensarbeit neu formuliert, gewinnt der
Informationsvermittlungs-Anspruch plötzlich eine ganz andere
Qualität. Denn jetzt geht es nicht mehr darum, nur zu informieren,
weil die Idee so gut ist und weil man meint, wirklich alle sollten
informiert sein, sondern der Wunsch zu informieren ergibt
sich aus dem Anspruch, die eigene Arbeit für die Einführung eines
Bedingungslosen Grundeinkommen zu begründen.