Donnerstag, 22. September 2011

Was ist Grundeinkommensarbeit?


Überlegungen zur Grundeinkommens-Arbeit – Ein Brief an die Gruppe

Mit Motivation, wo hin?

Ich möchte hier aus einer Email zitieren:

... unsere Gruppe trifft sich wieder am 04.04.10....... Wenn Sie mögen kommen Sie dazu und schauen sich die Gruppe an. Ob sich in nächster Zeit Aktivitäten ergeben, kann ich nicht sagen. In der Vergangenheit haben wir einige Veranstaltungen durchgeführt, sind jetzt aber auf der Suche wie wir weiter machen. Wir sind daran interessiert die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens zu verbreiten, haben aber nicht unbedingt den Kontakt zu politischen Parteien gesucht, da wir meinen, dass die Idee nicht von oben verordnet werden kann.“



Kann es sein, dass diese Absicht, als Motiv für Grundeinkommens-Arbeit viel zu schwach ist?

Wenn man diese Absicht, „die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens zu verbreiten“ mal genauer untersucht, können tatsächlich Zweifel entstehen, ob sie genügend Motivation für die tagtägliche Grundeinkommensarbeit hergibt.

Die Idee verbreiten bedeutet, über die Idee informieren. Aber wen wollen wir denn informieren? Bei ein, zwei Veranstaltungen in der Vergangenheit, hatten wir im Vorfeld Flyer verteilt. Da konnte man ja sehr gut sehen, welche Menschen einem begegneten. Aber auch die Veranstaltungen selbst hinterließen einen Eindruck, welche Menschen anwesend waren. Sowohl bei den Infoständen als auch bei den Vortrags-Veranstaltungen sind, ich schätze mal 80% Menschen anzutreffen, die bereits von der Idee wissen. Das sind Menschen, die man nicht mehr über die Idee des bGE informieren muss. Man bekommt von ihnen entweder die Antwort, ja die Idee kenne ich, ich bin dafür, oder sie sagen, dass sie die Idee kennen, aber dagegen sind.
Menschen, die nach 6 Jahren Götz-Werner Talk-Shows, Zeitungsartikeln, Radio-Features, Interviews und so weiter, nach der Arbeit vieler weiterer Grundeinkommens-Aktivisten, wie Sascha Liebermann, Daniel Häni, Enno Schmidt, Susanne Wiest und viele andere, immer noch nicht, also überhaupt noch nicht von der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommen gehört haben sind eher selten. In dieser Gruppe sind aber auch die Leute, die sowieso nicht politisch interessiert sind und eine abwehrende Handbewegung machen, wenn man ihnen einen Flyer über das Thema in die Hand drücken möchte.

Wenn man also unter diesem Aspekt unsere Anliegen und den uns selbst gegebenen Auftrag sich anschaut, können schon Zweifel aufkommen, ob das sehr motivierend auf die TeilnehmerInnen wirkt, überwiegend bereits Informierte zu informieren, mit Gegnern zu diskutieren und Desinteressierte anzusprechen. Es ist schlichtweg nicht nötig und überflüssig. Und die wenigen Gutwilligen und trotzdem völlig Ahnungslosen in Deutschland ausfindig zu machen, soll das wirklich unser Schicksal sein?

Ich will aber nicht ausschließen und so sehe ich es ja bei mir selbst, dass es ein Prozess ist, für sich herauszufinden, was man eigentlich mit dem Thema will, was für einen selbst Grundeinkommensarbeit ist und inwieweit diese sinnvoll in einer Gruppe sein könnte. Hier möchte ich kurz auch einige Einzelheiten ansprechen:

Grundeinkommensarbeit ist nicht Grundeinkommensarbeit. Spätestens, wenn man sich in die Einzelheiten der Thematik einarbeitet, sieht man Unterschiede. Es ist nicht egal, ob man für oder gegen die Konsumsteuer ist, oder sich eines Urteils enthält, ob man gegen oder für den bGE-Protagonisten Götz Werner ist, ob man etwas gegen Unternehmer hat oder nicht, ob man für das bGE ist und gleichzeitig für eine Partei aktiv ist, oder nicht. Es ist ein Irrtum zu glauben, mit jeder Person sei eine Zusammenarbeit möglich, nur weil diese beim Stichwort „Grundeinkommen“ hier gerufen und die Hand gehoben hatte. Deshalb ist es immer wieder wichtig, zu schauen, ob man in der bGE-Gruppe noch „in einem Boot sitzt“ und in die gleiche Richtung rudert.

Aber wenn es vom Sachverhalt her gar nicht unsere Arbeit sein kann, über das bGE zu informieren, was ist dann unsere Arbeit (Arbeitsaufgabe)?
Auch ich habe mich in den letzten vier Jahren, in denen ich mich mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigte, in meiner Haltung zu diesem Thema verändert. Seien wir doch mal ehrlich, die Idee zu verstehen, ist doch wirklich einfach. Aber was kommt dann, besonders, wenn man sagt, ja, die Idee habe ich verstanden und finde sie gut? Kommt da wirklich spontan der Wunsch, die Anderen über das bGE zu informieren oder denkt man nicht an was anderes? Ja, das Grundeinkommen müsste her! Oder? Eigentlich müsste einem einfallen, dass man sich für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommen einsetzen möchte.

Ich hatte mich das erste Mal damit beschäftigt, ob das nicht vielleicht meine Motivation ist, Grundeinkommensarbeit zu machen, nachdem ich einmal ein Interview mit Götz Werner gelesen hatte und er dort sagte, er setze sich für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommen ein und ich mir überlegte, ob ich das nicht eigentlich auch will und diese Haltung eine bessere Motivation hergibt als der einfache Informationsvermittlungs-Anspruch. Hinzu kam, dass bei der Argumentation Pro-Grundeinkommen der Menschenrechtsaspekt ein starker Stützpfeiler des bGE-Konzeptes ist (Verletzung der Menschenrechte durch die Hartz4-Gesetze; Existenzsicherung als Grundrecht) und man eigentlich gar nicht anders kann, als für die Einführung von Menschenrechten sich einzusetzen.
Hat man dann einmal die Spur gefunden und das Ziel der eigenen Grundeinkommensarbeit neu formuliert, gewinnt der Informationsvermittlungs-Anspruch plötzlich eine ganz andere Qualität. Denn jetzt geht es nicht mehr darum, nur zu informieren, weil die Idee so gut ist und weil man meint, wirklich alle sollten informiert sein, sondern der Wunsch zu informieren ergibt sich aus dem Anspruch, die eigene Arbeit für die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommen zu begründen.